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Sonntag 29.12.13
19:00 Uhr
Erika Stucky: Black Widow
Das neue Stucky-Projekt mit Musikern aus dem Umfeld von Tom Waits
Da geh ich hin!
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Vorverkauf 25,30 Euro
Abendkasse 27,00 Euro
ermäßigt 22,00 Euro
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Beschreibung
Schon zum 3. Mal in den letzten Tagen des Jahres kommt sie nun nach Reutlingen: Erika Stucky, die in Californien geborene und im Oberwallis lebende Universalkünstlerin.
Einmal meh hat sie sich für ihr aktuelles CD-Projekt »Black Widow« unverwechselbare und hochinteressante Musikerpersönlichkeiten ausgesucht: Diesmal sind es mit David Coulter, Terry Edwards und Michael Blair Musiker aus dem engsten Umfeld von Tom Waits, mit denen sie bereits bei der legendären Rain-Dogs-Revue zusammengearbeitet hat.
Längst aber genießt sie auch selbst Kultstatus, denn keine andere mischt dermaßen unverfroren Avantgarde-Jazz mit Pop und Jodlern, Schwyzerdütsch mit amerikanischem Slang und bissige Anmerkungen zum ganz gewöhnlichen Wahnsinn des Alltagslebens mit absurden Videofilmchen. Der Spaß kennt dabei keine Grenzen und der Mut zum musikalischen Wagnis auch nicht.
»Schauspieler inspirieren mich viel stärker als Musik«, stellte Erika Stucky schon vor Jahren in einem Interview fest, »wenn Jeanne Moreau durch einen Klassiker stöckelt, fallen mir sofort mindestens drei Texte ein.« Filmfiguren spielen immer wieder tragende Rollen in Stuckys Songs, mal als diffuse Traumbilder, mal als klar erkennbare Charaktere. Längst dreht die Künstlerin aus Zürich für ihre Bühnenprogramme eigene Kurzfilme, in denen sie zuweilen berühmte Szenen auf eigenwillige Art neu interpretiert. Wer das Booklet von Black Widow genau betrachtet, findet auch dort einen listigen Verweis auf dieses Genre.
»Während wir die Stücke mischten, ist James Gandolfini gestorben, der in »The Sopranos« die Hauptrolle des Tony Soprano verkörpert«, erinnert sich Erika Stucky und erzählt, dass sie schon vorher alle Folgen der gefeierten Mafia-Serie geradezu aufgesaugt hatte. »Ich bin in die Filme hineingekrochen und habe die Eindrücke später in vielen Songs wieder ausgedünstet«, grinst Stucky, »besonders natürlich in Mob Mama mit seinen direkten Zitaten.«
Eine weitere Inspirationsquelle für Black Widow lieferte Tom Waits, allerdings nicht in seiner Rolle als Schauspieler. 2011 war Erika Stucky an der Rain Dogs-Show beteiligt, die David Coulter als musikalischer Leiter auf die Bühne brachte. Der Musiker und Arrangeur Coulter gehört schon lange zum engsten Umfeld von Tom Waits, wirkte bereits beim legendären Theaterstück Black Rider mit, das seinerzeit Bob Wilson inszenierte. Das 18-köpfige Ensemble der Rain Dogs-Revue war hochkarätig besetzt, neben Coulter und Stucky u.a. mit Terry Edwards, Martyn Jacques (Tiger Lillies), Jane Birkin, St. Vincent, Steve Nieve (Pianist von Elvis Costello). Entsprechend überschwänglich wurden die Auftritte, u.a. beim Festival in Montreux, gefeiert. Danach war Stucky klar, dass sie ihr nächstes Album mit Coulter und Edwards einspielen wollte. Die beiden stellten den Kontakt zu Michael Blair her, der vor Jahren mit Tom Waits auf Tournee war, ehe er in Stockholm sesshaft wurde.
»Diese Musiker können extrem feinsinnig sein und im nächsten Moment totalen Krach machen«, freut sich Stucky, »sie sind an unglaublich vielen Instrumenten wunderbar versiert und entfachen enorme Energieschübe; außerdem ist ihr Witz ausgesprochen trocken und scharf.« So vereinten sie, sagt Stucky, eine ebenso subversive wie intellektuelle Haltung, nuanciertes Können und rebellisch-anarchischen Humor. Charakterzüge, die sich als rote Fäden gleichermaßen durch das Werk von Tom Waits wie durch die Ästhetik Erika Stuckys ziehen. Die Begeisterung für diese spezielle Ästhetik beruhe natürlich auf Gegenseitigkeit, sagt Stucky; die Musiker hätten sich gefreut, eine Sängerin mit »extended vocals« (Coulter) zu begleiten und mal wieder in diesem besonderen Jargon spielen zu dürfen.
Dass ausgerechnet der ruppigste und lautmalerischste Song des Albums an dessen Anfang steht, zumal auch noch als eines der wenigen Covers, wurzelt in der Produktionsgeschichte von Black Widow. Während Stucky mit Michael Blair in Stockholm aufnahm, entwickelten sie eine Art Ritual, nämlich jeden Morgen drei Versionen des Songs Black Betty einzuspielen. Sozusagen als Aufwärm-Runde. Keine Überraschung, dass sich Stuckys Version anders anhört als das historische Original des Blues-Sängers Leadbelly. Der wuchtige Album-Auftakt zeigt Parallelen zu Stuckys Konzerten. »Ich komme ja immer mit Riesenkrawall auf die Bühne«, lacht die gelernte Schauspielerin, »deswegen fühle ich mich mit Black Betty zu Beginn der CD völlig daheim.«
Im weiteren Verlauf finden sich Songs, mit denen Stucky sich selbst überrascht hat und die auch ihren Fans möglicherweise neue Facetten offenlegen. Es gibt ruhige, fast versponnene Balladen wie Miles High, das »als vier Uhr morgens-Stück wie im Traum entstanden ist; eine Eingebung, über die ich immer noch staune.« Vergleichsweise klar ist bei I'm Good die Inspirationsquelle. »Ich hatte mich für zwei Monate zum Schreiben in Amsterdam versteckt«, erklärt Stucky, »dort wohnte ich nahe am Rotlichtviertel.« Das Locken der Frau im Schaufenster vermischt sich nun mit musikalischen Erinnerungen an Straßen in Philadelphia und den Broadway. Mittels ihrer Adaption von Helter Skelter sucht Erika Stucky immer noch die Bilder um Charles Mansons Massenmord zu verarbeiten, der in seinem Wahn sogar die Beatles für sich vereinnahmte. Das sparsam-zarte Cello-Arrangement von Easy kontrastiert vergrübelte Gedanken, One More flirtet mit Anklängen an Scott Walker-Streicher. Bei Watching Over Me habe sich Pianist Steve Nieve als Schutzengel erwiesen, indem er den Song sensibel co-komponierte.
Abgesehen von wenigen dramatischen Moment zeigt Black Widow vor allem Erika Stuckys typischen Humor. Er manifestiert sich in abwechslungsreichen Arrangements, ihrem ungewöhnlich variablen Gesang und kleinen Zitaten, die wie Wetterleuchten am Horizont vorbeiziehen. Letztlich ist auch das neue Album der sehr persönliche Ausdruck einer selbstbewussten Künstlerin. »Für mich ist es total stimmig, dass ich manchmal Schweinsohren trage, auch wenn das auf andere völlig absurd wirken mag«, sagt Erika Stucky, »was ich mache, entsteht aus einem intuitiven Prozess, daher ergibt es für mich absolut Sinn.«