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Montag 26.10.15
20:00 Uhr
Beethoven und die Russen (1) Die Große Reihe
Da geh ich hin!
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Abendkasse k.A.
7 Euro für Schüler k.A.
Beschreibung
Auftaktkonzert mit dem neuen Chefdirigenten Dan Ettinger.
Schostakowitsch betrachtet Beethoven durch zwei verschiedene Brillen
Dmitri Schostakowitsch beschreibt in einem kleinen Text den „unvergesslichen Eindruck“, den ein Dokumentarfilm auf ihn gemacht hat. Dieser schildert „das Leben eines […] ganz wilden Indianerstammes in einer schwer zugänglichen Gegend irgendwo am Oberlauf des Amazonas“. „Da gibt es eine wahrhaft bewegende Szene“, erzählt der geradezu romantisch gestimmte Schostakowitsch: „Der Anführer dieses Stammes und einige Leute aus seiner Umgebung hören das Violinkonzert von Beethoven, das auf einem Tonband erklingt. Auf den Gesichtern dieser Menschen […] kann man eine ungewöhnliche Gemütserregung ablesen, die an Erschütterung grenzt. Beethoven spricht zu dem Menschen aus einer anderen Welt, und der hört und versteht seine Sprache …“
Als Dmitri Schostakowitsch 1952 in der Hauptstadt der DDR in einer Rede über Beethoven spricht, spürt man, wie seine Aussagen fern jeder Romantik von einem auferlegten politischen Kalkül durchdrungen zu sein scheinen. Er bezeichnet Beethoven als „Ruhm und Stolz der gesamten Menschheit“ und erklärt, Beethoven sei „ein Internationalist im wahrsten Sinne des Wortes“, in seiner Musik finde sich die „ganze Ursprünglichkeit des Volkscharakters“, ja die „Erziehung des heroischen Charakters im Menschen“ sei ihre Haupttendenz. Durch diese Worte schimmert der sowjetische Machtapparat hindurch, der Beethoven und seine Musik oft zu politischen Zwecken benutzt hat. So ließ Stalin seine neue Verfassung 1936 mit Beethovens Neunter Sinfonie feiern, was Schostakowitsch in seiner Rede eigens hervorhebt – in jenem Jahr, als der Komponist besonders üblen Verleumdungen ausgesetzt gewesen war. In seiner zehnten Sinfonie resümierte Schostakowitsch wohl auch seine Erfahrungen mit Stalin, denn sie entstand kurz nach dem Tod des Diktators im Sommer 1953. Etliche Jahre hatte der Komponist gebraucht, bis er nach dem Debakel mit seiner provozierend schlicht gehaltenen Neunten wieder zum Sinfoniker wurde und nebenbei, sozusagen in einem Akt doppelter Befreiung, die seit Beethoven gefürchtete Hürde einer „Zehnten“ überwand.